Europa plant eine Energie-Revolution: Grüner Wasserstoff aus Nordafrika soll den fossilen Brennstoffen den Garaus machen. Doch die Idee, die Energiesicherheit ganzer Industriestaaten von instabilen Regimen und zerrütteten Staaten abhängig zu machen, birgt enorme Risiken. Ist das wirklich die Zukunft, die Europa braucht?
Der SoutH2 Corridor: Träumerischer Idealismus oder brandgefährlicher Plan?
Die geplante Wasserstoffpipeline von Nordafrika nach Europa klingt wie ein innovativer Ansatz zur Dekarbonisierung. Doch ein genauer Blick auf die Fakten entlarvt die Risiken: Nordafrika ist geprägt von instabilen politischen Systemen, Korruption und sozialen Spannungen. Länder wie Libyen oder Algerien, die als Lieferanten von Wasserstoff dienen sollen, stehen regelmäßig am Rand des Chaos. Hier die Energieversorgung europäischer Industrienation abzusichern, ist keine Innovation, sondern ein gefährliches Glücksspiel.
Die Pipeline, die 3.500 – 4.000 Kilometer durch Krisenregionen führen soll, hängt maßgeblich von politischen und sozialen Bedingungen ab, die Europa nicht kontrollieren kann. Wer garantiert, dass der Wasserstoffstrom nicht durch plötzliche Regimewechsel, Bürgerkriege oder gezielte Sabotage unterbrochen wird?
Die Illusion von Nachhaltigkeit
Befürworter argumentieren, dass die Produktion von grünem Wasserstoff in Nordafrika ökologisch und nachhaltig sei. Doch die Realität sieht anders aus. Die immense Wassermenge, die zur Elektrolyse benötigt wird, verschärft die ohnehin kritische Wassersituation in der Region. Nordafrika ist bereits eine der trockensten Gegenden der Welt, und laut Berichten der UNESCO World Water Assessment Programme haben fast 85% der Bevölkerung in ländlichen Gebieten nur eingeschränkten Zugang zu sauberem Trinkwasser. Während die Bevölkerung mit anhaltenden Dürren und einer rapide wachsenden Wasserknappheit kämpft, wird ein erheblicher Anteil der ohnehin begrenzten Ressourcen für den europäischen Wasserstoff-Traum geopfert. Der Ausbau von Entsalzungsanlagen, die zur Wasserbereitstellung für die Elektrolyse genutzt werden könnten, erfordert hohe Investitionen und verursacht enorme CO₂-Emissionen, was die Nachhaltigkeit des gesamten Vorhabens weiter infrage stellt.
Gleichzeitig gibt es kaum Garantien, dass die Produktion tatsächlich „grün“ bleibt. Ohne effektive Kontrollmechanismen und transparente Berichterstattung besteht die Gefahr, dass fossile Energien wie Erdgas oder Kohle zur Stromerzeugung herangezogen werden, um die Elektrolyse zu betreiben – insbesondere in Ländern wie Algerien und Libyen, die stark von fossilen Brennstoffen abhängig sind. Laut einer Studie der International Energy Agency könnten bis zu 40% der sogenannten grünen Wasserstoffprojekte in Entwicklungsländern in Wirklichkeit eine hybride Energieerzeugung nutzen, die einen signifikanten Anteil fossiler Energie umfasst. Dies wäre nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Klimaziele, sondern könnte auch dazu führen, dass die europäische Klimabilanz durch importierten Wasserstoff letztlich verschlechtert wird.
Zusätzlich stellt sich die Frage nach der sozialen Akzeptanz solcher Projekte vor Ort. In Nordafrika haben Bürgerinitiativen und lokale Organisationen bereits mehrfach gegen den großflächigen Export von Ressourcen protestiert, da dieser vor allem internationalen Konzernen zugutekommt, während die einheimische Bevölkerung mit hohen Energiekosten und fehlendem Zugang zu moderner Infrastruktur zurückbleibt. Die ökologischen und sozialen Kosten, die für die Deckung des europäischen Energiehungers aufgewendet werden, werfen daher ein ernstes Licht auf die vermeintlich nachhaltige Strategie der Wasserstoffimporte.
Abhängigkeit von politisch fragilen Staaten
Europas Energiepartnerschaften mit instabilen Staaten bergen enorme Risiken. Beispiele wie die Gaspartnerschaft mit Russland, die durch den Ukraine-Konflikt in eine Energiekrise mündete, zeigen, wie gefährlich Abhängigkeiten von autoritären Regimen sein können. Nordafrika, potenzieller Lieferant von grünem Wasserstoff, ist ähnlich problematisch. Länder wie Libyen, das vom Fragile States Index 2024 als eines der instabilsten weltweit eingestuft wird, sind von Bürgerkriegen und rivalisierenden Fraktionen geprägt. Algerien kämpft mit Korruption, Protesten und wachsender Jugendarbeitslosigkeit, wie Transparency International und UN-Berichte zeigen.
Zusätzlich bedrohen terroristische Gruppierungen wie Boko Haram und der Islamische Staat die Sicherheit der Region. Der Global Terrorism Index 2024 hebt wiederholte Angriffe auf Energieinfrastrukturen in Algerien hervor, die zu monatelangen Ausfällen führten. Gleichzeitig verstärken geopolitische Rivalitäten, etwa durch Chinas wachsenden Einfluss in Nordafrika, die Spannungen. Diese instabilen Bedingungen könnten Europas Energiestrategie empfindlich treffen und die Versorgungssicherheit langfristig gefährden.
Die Kosten: Ein Fass ohne Boden
Neben den politischen Risiken ist der finanzielle Aufwand gigantisch. Die geschätzten Investitionen von über 20 Milliarden Euro erscheinen bereits jetzt unrealistisch, da Kostenüberschreitungen bei solchen Mammutprojekten die Regel sind. Wer zahlt, wenn das Projekt scheitert? Der europäische Steuerzahler – der gleiche Bürger, der bereits unter den explodierenden Energiepreisen leidet.
Zudem bleibt fraglich, ob die Nachfrage nach grünem Wasserstoff im angestrebten Umfang überhaupt existiert. Unternehmen und Industrien zögern, auf eine Energiequelle umzusteigen, die so unsicher und teuer erscheint.
Internationale Reaktionen: Skepsis statt Euphorie
Während Europa diesen Traum verfolgt, reagieren andere Industrienationen mit Zurückhaltung. Die USA setzen auf lokale Lösungen wie Schiefergas und Solarenergie, während China massiv in eigene Wasserstoffprojekte investiert, ohne sich auf Importe zu verlassen. Selbst Australien, das reich an Ressourcen ist, plant vorwiegend für den Eigenbedarf. Warum setzt Europa ausgerechnet auf unsichere Partnerschaften, wenn der Rest der Welt auf Autarkie abzielt?
Geopolitische Polarisierung
Ein weiteres Problem ist die geopolitische Dimension. Während Russland trotz autoritärer Tendenzen jahrzehntelang ein verlässlicher Energiepartner Europas war und Lieferverträge selbst in Zeiten politischer Spannungen weitgehend einhielt, ist die Situation in Nordafrika ungleich fragiler. Länder wie Libyen und Algerien, die als Hauptlieferanten für den grünen Wasserstoff dienen sollen, sind politisch instabil, von Korruption durchsetzt und häufig Schauplatz von innerstaatlichen Konflikten.
Die geplante Pipeline wird Europa nicht nur abhängig machen, sondern auch die Macht solcher Staaten stärken, die kaum demokratische Werte vertreten. Im Gegensatz zu Russland, das über eine ausgebaute und zuverlässige Energieinfrastruktur verfügte, sind die Lieferländer in Nordafrika von maroden Strukturen und regelmäßigen Versorgungsausfällen geprägt. Die Frage bleibt: Wie viel Kontrolle und Sicherheit ist Europa bereit aufzugeben, nur um ein vermeintlich klimafreundliches Ziel zu erreichen?
Konfliktpotenzial vorprogrammiert
Die Förderung von grünem Wasserstoff in Nordafrika belastet die knappen Ressourcen der Region erheblich. Länder wie Algerien und Libyen leiden bereits unter Wasserknappheit und sozialer Ungleichheit. Laut FAO haben 30 % der Bevölkerung in Nordafrika keinen ausreichenden Zugang zu Wasser. Die zusätzliche Belastung durch Wasserstoffproduktion könnte Proteste und Unruhen auslösen, da vor allem internationale Konzerne profitieren, während die lokale Bevölkerung unterversorgt bleibt.
Die Rolle der Medien und Politik
In den Medien wird der SoutH2 Corridor als unverzichtbarer „Schlüssel zur Klimaneutralität“ präsentiert, doch zentrale Risiken werden verschwiegen. Laut Global Witness könnte ein Teil des Wasserstoffs aus fossilen Energien stammen, da in Nordafrika weiterhin fossile Brennstoffe zur Produktionsunterstützung genutzt werden. Studien der IRENA warnen zudem, dass der hohe Energiebedarf für die Elektrolyse lokale Stromnetze belastet und die Energiekosten für die Bevölkerung erhöht. Kritische Stimmen, die auf diese Probleme hinweisen, werden oft als „Klimaskeptiker“ diffamiert, obwohl sie fundierte Daten anführen.
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch kritisieren mangelnde Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen, während eine Bloomberg NEF-Studie die Kostenrisiken betont: Die tatsächlichen Ausgaben könnten die geplanten 20 Milliarden Euro um mindestens 30 % übersteigen. Diese Warnungen werden in der öffentlichen Diskussion häufig ausgeblendet, um die Vision einer klimaneutralen Zukunft nicht zu gefährden.
Energiepolitik am Abgrund
Der SoutH2 Corridor mag ambitioniert wirken, aber die Konsequenzen sind absehbar. Die Abhängigkeit von unsicheren Staaten, die immensen Kosten und die geopolitischen Spannungen machen dieses Projekt zu einer potenziellen Zeitbombe. Europas Energiesicherheit sollte nicht auf der Grundlage von Wunschdenken, sondern auf pragmatischen und nachhaltigen Lösungen aufgebaut werden. Der aktuelle Plan riskiert, die Zukunft ganzer Generationen aufs Spiel zu setzen.
Quellen: